Donnerstag, 16. November 2006

Studivz zuckt

Von einem Tag auf den anderen hat das Studivz seine Kommunikationspolitik geändert - sofern man das, was vorher war, als Kommunikationspolitik bezeichnen kann. Zwischen Ehssans Verteidigungsaufsatz vom 13.11. und der abgeordnetenhaften Entschuldigung vom 15.11., die er zumindest unterschrieben hat, liegen sprachliche Welten. Und im Eintrag über die Finanzquellen der Studivz Ltd. wird zwar nicht alles verraten, aber mehr, als ich eigentlich erwartet hätte. Daß Spiegel Online das Thema aufgenommen hat, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben. In den Kommentaren an der Blogbar liest man, daß Studivz-Pressesprecher Tilo Bonow seit Montag von dem geplanten Artikel wußte, die Geldgeber von Holtzbrinck seit Dienstag. Daß die neue Offenheit erst jetzt kam, erst nachdem den Mehrheitsgesellschaftern anscheinend aus Richtung Süddeutschland die Liebe entzogen wurde, verstehe ich trotzdem nicht.

Karsten Wenzlaff, der sich mit seinen englischen Zusammenfassungen viel Arbeit gemacht hat, hat den Studivz-Jungs bei einem Treffen ein paar PR-Ratschläge gesunden Menschenverstandes gegeben, von denen ich einfach nicht glauben kann, daß jemand wie Tilo Bonow nicht alleine drauf gekommen wäre. Ich mein', das ist der Mann, der den Jamba-PR-Gau erfahren hat.

Ist da jemand?

Und ohnehin: Holtzbrinck ist beteiligt, Leute von Spreadshirt - die eine ziemlich ausgezeichnete Unternehmenskommunikation betreiben, und zwar eine, die Privatpersonen in den Vordergrund rückt, ohne daß es schief geht - sind beteiligt und befreundet; und niemand wollte oder konnte diesen Kamikazekurs stoppen?

Zumindest hat man bei Studivz jetzt verstanden, daß Offenheit der letzte Weg ist, da wieder rauszukommen. Alles werden sie nicht verraten, aber man kann nicht ernsthaft erwarten, daß sie den Gesellschaftervertrag scannen und ins Blog stellen (das mit seiner enormen Kommentar- und Linkzahl eigentlich einen famosen Rang in der Top-100-Business-Blogs-Liste einnehmen müßte, oder?).

"Spenden finde ich toll."

Das Gelulle von "Netzwerkgedanken" und "Verringerung der Anonymität" ist damit jedenfalls endlich vorbei. Das hielt ich ja immer für eines der größten Ärgernisse - ärger als die Tatsache, daß da jemand, frisch oder noch nicht mal der Entrepeneurs-Uni entsprungen, ein Erfolgsmodell in den USA sichtet, kopiert und das superschnelle Geld macht, ärger als die Tatsache, daß der im Mittelpunkt stehende Gründer ("Frontsau" könnte man sagen) diese Filmchen veröffentlicht hat und vielleicht sogar ärger als das Elend des abseitigen Partyflyers. Diese Verarschung der User hat so prima funktioniert, daß den längst von EFF und Holtzbrinck unterstützten Gründern in den Kommentaren ihres Blogs mehrmals Spenden angeboten wurden.

Und in meinen Augen ist das der wesentliche Grund, warum Kommentare gegenüber den Bloggern auf der Jagd / den enttäuschten Studenten auf der Flucht, sie sollten sich um ihren Dreck kümmern / man müsse sich ja nicht im Studivz anmelden, nicht treffen. Mit Geduld und Zynismus kann man die Videos, den Völkischen Beobachter und die Wikipedia-Manipulationen als Unfug eines Einzelnen, private Peinlichkeit, Alkoholfolge, wasauchimmer abtun. Das andere aber war eine Grundlage der ganzen Unternehmung (und verschärft das Problem vertrauensselig eingegebener Daten). Wer Quickflipper kritisiert, der solle ein entspannteres Verhältnis zum Gründertum bekommen, sagen manche, aber Studivz selbst versuchte um Himmels willen den Eindruck aufrechtzuerhalten, man sei ein im Grunde unkommerzielles Studiprojekt, sowas wie der Verkauf von fair gehandeltem Kaffee? Ach nö, das sehe ich eigentlich nicht ein. Nichts gegen Gründer, nichts gegen clevere Kopisten, die es besser machen als das Original, und Kopisten, die es schlechter machen, mögen meinetwegen auch ihr Geld verbrennen. Aber durchsichtige Verarsche sollte nicht Erfolg haben.

Zieh' die Flip Flops aus, entspann' Dich!

Mark "Zuck" Zuckerberg könnte jetzt eigentlich die nackten Füße hochlegen und zuschauen. Der Preis für eine mögliche Übernahme des Studivz dürfte sich mit allem, was ans Tageslicht gekommen ist, spürbar drücken lassen. Und das Gerücht, daß Facebook demnächst um 1 Million Nutzer im Ausland wachsen wird, kann bei den Verhandlungen, die Facebook derzeit um einen eigenen Verkauf führt, nur preissteigernd sein.

Mal schauen, was Don Alphonso noch alles im Pulverturm hat, und wie man beim Studivz darauf reagiert.

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Trackbacks zu diesem Beitrag

Dass dabei automatisch Freundschaften entstehen, liegt auf der Hand und ist ein positiver Nebeneffekt, der nat?rlich gew?nscht ist und viele M?glichkeiten bietet. Des weiteren kann man im StudiVZ auch besonders gut alte Freunde wieder finden

While the internet continues to cumulate... [weiter]
Adri (Gast) - 5. Januar, 12:53

naja

Jeder braucht Cash, darum hab ich halt ma diese Verarschung gebaut: humanscore.de.tt

Sherpa

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